Der eine produziert Birnen, Äpfel, Möhren und Rote Beten. Der andere macht daraus Saft und sorgt dafür, dass er die Menschen erreicht, die dessen besondere Qualität schätzen. Ein Besuch bei zweien, die verbunden sind durch eine gemeinsame Geschichte und eine große Idee.
Demeter-Landwirt Thomas Schneider führte Susanne Kiebler, Chefredakteurin des Demeter Journals, im Kraichgau über Streuobstwiesen und Gemüseäcker. Thomas schöpft Vertrauen daraus, dass auf seinem Hof alles in einen Gesamtbetriebskreislauf eingebettet ist.
Sanfte Hügel, alte, knorrige Obstbäume, kleine Kätzchen, die auf ihrer Mutter und miteinander herumtollen – und mittendrin mit leuchtenden Augen die jüngste Schneider-Tochter Naja. Auf diese Szene, die direkt aus einem Bilderbuch stammen könnte, trifft Matthias Maier, der etwas mehr als eine Stunde aus Weinstadt ins Kraichgau gefahren ist, um hier mit Thomas Schneider durch die Gemüseäcker und Streuobstwiesen zu streifen. Sie schauen gemeinsam kurz vor der Ernte, wie sich in diesem Jahr die Möhren entwickelt haben, die Birnen, Äpfel und Roten Beten. Seit 74 Jahren gibt es den Demeterhof Schneider, und fast genauso lang stellt die Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei im Remstal aus Schneider-Obst und -Gemüse Demeter-Säfte her. „Seit ich mich erinnern kann, verarbeiten wir Äpfel und Birnen von hier“, erzählt Matthias, der seit seiner Jugend im Betrieb des Vaters mitgearbeitet hat.
Die Geschäftsbeziehungen zwischen den Beutelsbachern und den Schneiders sind alt. Einst lag der Demeterhof Schneider noch im rund 90 Kilometer südlich gelegenen Stuttgart, ganz nah an der damaligen Fruchtsaftkelterei. Dort führte Thomas‘ Vater zu Beginn noch einen konventionellen Hof, den er dann aus innerster Überzeugung 1956 auf Demeter umstellte: „Der Vater meines Vaters war sehr krank. So hat sich die Familie stark mit der anthroposophischen Medizin und auch mit der biodynamischen Landwirtschaft beschäftigt. Diese Art und Weise, Landwirtschaft ganzheitlich zu denken und zu betreiben, hat meinen Vater so überzeugt und ihm eine solche innere Kraft gegeben, dass es für ihn keine Alternative gab, als Demeter-Bauer zu werden. Obwohl alle, die ohne Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel ihr Land bewirtschafteten, als Spinner, Träumer oder Rückwärtsgewandte galten – ‚bio‘ war damals noch kein wirklich geläufiger Begriff.“
Auch Matthias weiß um die Herausforderungen der Demeter-Pioniere: „So ein Außenseiter war auch mein Großvater Christian in der frommen, dörflichen Gemeinschaft, die den modernen Spritzmitteln und dem Kunstdünger frönte.“ Doch beide ließen sich nicht abbringen von der anthroposophischen ganzheitlichen Herangehensweise.
Der eine, Christian Maier, bewirtschaftete bereits ab 1951 biodynamische Obstanlagen und stellte aus dem Obst – Johannisbeeren, Sauerkirschen, Äpfel – Säfte her. Und Phillip Schneider begann 20 Jahre später, seine Äcker biodynamisch zu bewirtschaften, seine Tiere anders zu halten und seinen Hof so umzustellen, dass er dem Ideal der Kreislaufwirtschaft am besten entsprach. „Er hat sich damals im Demeter-Landesverband Baden-Württemberg eingebracht und dort Aufbauarbeit geleistet“, erzählt Thomas. Auch er selbst ist heute einer der Delegierten des Demeter-Verbands, der über Strategie und Regelwerk mit abstimmt.
Weil es in Stuttgart durch die zunehmende Industrie immer enger und schwieriger wurde, Landwirtschaft zu betreiben, hat der Vater den Schneiderhof 1972 ins Kraichgau verlegt; damals war Thomas gerade ein halbes Jahr alt. Heute lebt er auf der damals neu errichteten Hofstelle mit seiner Frau Katja und den beiden Töchtern Lilly und Naja, außerhalb des Dorfs Adersbach bei Sinsheim in einer artenreichen Hügellandschaft, durchzogen von Streuobstwiesen und kleinen Wäldchen. Seine Schwester lebt mit ihrer Familie auf dem Nachbarhof. Milch, Getreide, Gemüse und Obst – Thomas‘ Betrieb ist vielseitig. Insgesamt hat der Demeter-Bauer 60 Milchkühe – „das sind rund 180 Tiere mit Stier und Nachzucht, inklusive der Bullenkälber“. Letztere zieht er seit jeher auf dem Hof auf – eine Ausnahme auf Bio- und selbst Demeterhöfen.
Dass auf meinem Hof alles in einen Gesamtbetriebskreislauf eingebettet ist, daraus schöpfe ich Vertrauen. Wenn ich mal ein schlechtes Jahr habe, komme ich damit klar, denn ich weiß: Es kommen auch wieder gute.
Thomas Schneider, Demeterhof Schneider
Die Vielseitigkeit gibt ihm Sicherheit und Zuversicht: „Ich denke in einem Gesamtkreislauf: Der wertvolle Mist meiner Tiere sorgt auf den Gemüse- und Getreideäckern für fruchtbaren, lebendigen Boden. Dort baue ich unter anderem wiederum Futtergetreide für die Tiere an. Was mir bei all meiner Arbeit wichtig ist, sind vertrauensvolle, langfristige Beziehungen zu den Abnehmern meiner Demeter-Erzeugnisse. Verarbeiter, die um die Qualität und Arbeit wissen und die sie schätzen. So liefere ich – wie bereits mein Vater – Getreide wie Dinkel und Hafer an die Spielberger Mühle und die Birnen und Äpfel der alten Streuobstwiesen sowie Rote Beten und Möhren an die Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei in Weinstadt.“
Wie Thomas auf dem elterlichen Hof von Kindesbeinen an mitgeholfen hat und in die Arbeit eingebunden war, wuchs auch Matthias mit dem väterlichen Familienbetrieb auf. Seit 1991 führt er die Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei gemeinsam mit seinem Bruder. Matthias Maier und Thomas Schneider verlieren nicht viele Worte bei Verhandlungen um Preise und Mengen. „Ich habe volles Vertrauen in die Art und Weise, wie Thommy wirtschaftet und wie er das Gemüse und Obst anbaut, das wir verarbeiten“, sagt Matthias. „Manchmal vergeht ein Dreivierteljahr, ohne dass wir uns sprechen, aber klar, in schwierigen Zeiten – wenn es etwa viel zu viele oder viel zu wenige Möhren gibt – ist der Gesprächsbedarf höher.“
Vertrauen ist essenziell für mich: Einerseits vertraue ich der Demeter-Gemeinschaft, zum anderen freue ich mich über das Vertrauen, das uns und unseren Säften die Verbraucherinnen und Verbraucher schenken.
Matthias Maier, Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei
Was die beiden eint, ist einerseits die gemeinsame Arbeit für die Demeter-Idee, ihr Wirken in der Demeter-Gemeinschaft. Wenn er jemanden vom Biodynamischen überzeugen möchte, lässt Matthias zum einen dessen Qualität schmecken, verweist aber auch auf eine wissenschaftliche Langzeit-Studie: „Dass die Landbewirtschaftung nach Demeter-Richtlinien die einzige ist, bei der die Bodenfruchtbarkeit hoch bleibt – und sogar noch zunimmt –, zeigt der DOK-Versuch, der seit über vierzig Jahren in der Schweiz läuft.“ Zum anderen ist es ihre Begeisterung für biodynamische, samenfeste Gemüsesorten.
Die Beutelsbacher waren die ersten Hersteller, die ausschließlich Gemüsesäfte aus samenfesten Sorten herstellten: „Samenfeste Sorten sind nicht nur ein politisches Statement gegen die großen Saatgutkonzerne und die Abhängigkeit von ihnen. Sie schmecken auch besonderer, haben mehr Charakter und einfach – so empfinde ich das – eine stärkere Kraft und Vitalität.“ Am liebsten ist ihm, wenn Regionalität, biodynamischer Anbau und Verarbeitung und samenfeste Sorten zusammenkommen.
Genau da kommt Thomas ins Spiel oder besser gesagt, die Möhre Rodelika und die Rote Bete Robuschka, deren Wuchs die beiden heute auf dem Feld untersuchen. Mit wenigen Spatenhieben gräbt Thomas ein paar Exemplare der Möhre aus und schüttelt vorsichtig Erdklümpchen ab. Die langen Rüben sind am Ende noch nicht ganz abgerundet, das heißt, sie müssen noch etwas im Boden bleiben. Die beiden sind zufrieden. Kein Landwirt in Baden-Württemberg baut mehr samenfeste Möhren der Sorte Rodelika an als Thomas. „Das ist die bekannteste biodynamisch gezüchtete Möhrensorte, mit deren Vorgängerin ‚Rothild‘ mein Vater bereits in Stuttgart gearbeitet hat“, erzählt der Demeter-Landwirt. Der Anbau der Rodelika ist wirtschaftlich risikoreicher als der von Hybridsorten, da sie nicht wie Letztere hauptsächlich auf Ertrag gezüchtet wurde.
Doch in Beutelsbacher Säften werden die Rodelika und die Rote Bete Robuschka als Saft aus samenfesten Sorten und mit dem Label „aus Baden-Württemberg“ so vermarktet, dass diese besondere Qualität auch im Preis gewürdigt werden kann. „Wenn man den Saft trinkt, merkt man, dass dieser besonders schmeckt“, erklärt Matthias und schenkt sich und Thomas zwei Gläser mit mitgebrachtem Rodelikasaft ein.
Sie stoßen damit auf die Ernte an – und die Zukunft. Mit Blick ins Rautal mit seinen Wiesen, den alten Birnen- und Apfelbäumen, an denen gelb, grün und rot die Früchte leuchten, wird Thomas nachdenklich und zieht Parallelen zum ersten Schneiderhof seines Vaters in Stuttgart: „Auch hier wird es immer enger und voller, seit SAP und andere, zuliefernde Großfirmen sich in und um das nahe gelegene Walldorf angesiedelt haben und der Kraichgau bei Pendlern immer beliebter wird.“ Doch er weiß auch: Er bleibt hier. Und, es muss nicht ausgesprochen werden, dass die Beziehung zu den „Beutelsbachern“ mindestens noch eine weitere Generation lang trägt.
Beutelsbacher Fruchtsäfte wurde 1936 in Weinstadt-Beutelsbach von den Brüdern Christian und Wilhelm Maier gegründet, die aus einer Wein- und Obstbauernfamilie stammten und die Demeter-Gemeinschaft mit aufgebaut und geprägt haben. Die Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei gehörte 1954 zu den Gründungsmitgliedern des Demeter Bundes nach dem Krieg. Seit den 1990er-Jahren führen die Brüder Thomas und Matthias Maier die Geschäfte. Als Bio- und Demeter-Pionier gestartet, ist das Familienunternehmen heute ein mittelständisches Unternehmen mit 50 Mitarbeiter*innen. Das Sortiment umfasst heute 125 Bio- und Demeter-Produkte, darunter Fruchtsäfte und Gemüsesäfte aus samenfestem Saatgut.