Die ZDF-neo-Sendung “MaiThink X” hatte am 21.11.2021 Bio, Demeter und die biodynamischen Präparate zum Thema. Wir begrüßen es grundsätzlich, wenn Formate wie das von Moderatorin und Wissenschaftsjournalistin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim die Wissenschaft in einen Dialog mit der Gesellschaft bringen und wissenschaftliche Ergebnisse so aufbereiten, dass sie mit Spaß und Humor zugänglich werden. Wir sind allerdings der Meinung, dass auch in einem solchen Format wissenschaftlich exakt argumentiert werden muss. Leider hat die Sendung diesen eigenen Anspruch selbst unterlaufen.
Landwirtschaft muss zahlreiche Ziele erreichen, die zum Teil in Widerspruch zueinander stehen (z.B. Ertrag vs. Gehalt an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, Wirtschaftlichkeit vs. Qualität, Tierwohl, Biodiversität, Klimaschutz). Was in der Mai Think X-Sendung leider nicht erwähnt wurde: Bio ist nicht nur der höchste gesetzliche Standard für Lebensmittel, sondern auch das landwirtschaftliche System, das diese Zielkonflikte am besten zu einem Ausgleich bringt. Biobetriebe erbringen zahlreiche Leistungen für die Gesellschaft und die Umwelt. Eine höhere gesellschaftliche Leistung durch ökologischen Landbau wurde insbesondere in den Bereichen Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaanpassung und Ressourceneffizienz nachgewiesen. Siehe auch Thünen-Report 65 „Die Leistungen des Ökolandbaus für Umwelt und Gesellschaft“
In der Sendung werden die Begriffe “Ertrag” und “Effizienz” verwechselt, bzw. der Begriff „Effizienz“ nicht präzise verwendet. “Effizienz” ist immer als Ergebnis von Input zu Output zu sehen. Der in der Sendung mehrfach erwähnte DOK-Versuch* belegt eindeutig, dass die ökologisch und biodynamisch bewirtschafteten Flächen im Verhältnis zum eingesetzten Input (Dünge- und Pflanzenschutzmittel) wesentlich produktiver sind als die konventionell bewirtschafteten Flächen. Bio ist also bei weniger Ertrag/ha “effizienter”! Nach der Logik von Mai Think X wäre ein Auto, dass bei einem Verbrauch von 10 l Benzin 500 km weit fahren kann “effizienter” als ein Auto, das mit nur 5 l Benzin 350 km schafft - das ist offensichtlich falsch!
Hinzu kommt: die in der Sendung verwendeten Quellen beziehen sich recht einseitig auf Autoren (Qaim et al.), die seit Jahren massiv pro Gentechnik und gegen Bio agieren. Ein breiteres Spektrum an Quellen hätte ein anderes Bild ergeben.
*Der DOK-Versuch beweist die hohe Effizienz der biologischen Pflanzenproduktion: Bei 50 Prozent weniger Aufwand an Düngern und Energie und 97 Prozent weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln lagen die Erträge im Vergleich zum konventionellen Anbau im Durchschnitt nur um 20 Prozent niedriger.
Eine neuere Studie des FiBL gibt Hinweise auf einen Vorteil von Bio beim Klimaschutz. Bei neun untersuchten Lebensmitteln verursacht das “regionale Bio”-Szenario die geringsten Treibhausgasemissionen, während Szenario Konventionell (nicht regional) durchgehend die höchsten Treibhausgasemissionen aufweist. Die Szenarien “Konventionell regional” und “Bio” ordnen sich im Mittelfeld ein, wobei die Variante “Bio” ebenfalls bei allen neun Lebensmitteln z. T. deutlich geringere THG-Emissionen als die Variante “Konventionell regional” verursacht.
Beim Flächenbedarf von Bio-Schweinen im Vergleich zu konventionellen Schweinen ist den Redakteuer:innen von Maithink X ein Umrechnungsfehler unterlaufen. Ein Bio-Schwein von 80kg hat eine Stallfläche von 1,1m² zur Verfügung, ein konventionelles Schwein nur 0,75m². Der Unterschied beträgt nicht 35cm², sondern 3.500cm² (0,35m²). Hier hat sich die Wissenschaftssendung also um den Faktor 100 verrechnet. Und ein Bio-Schwein hat nicht nur im Stall fast 50% mehr Platz als ein konventionelles Schwein. Völlig unterschlagen wurde, dass ein Bio-Schwein von 80kg zusätzlich eine Außenfläche von mindestens 0,8m² zur Verfügung hat. Somit hat ein Bio-Schwein (80kg) insgesamt 1,9m² zur Verfügung, ein konventionelles Schwein nur 0,75m². Das ist die 2,5-fache Fläche und führt dazu, dass ein Bio-Schwein nicht permanent in einem Stall ist, sondern auch ins Freie kann.
Ernährung lässt sich nachhaltig nur sichern, wenn die Bodenfruchtbarkeit erhalten wird – dies ist die Kernkompetenz von Bio (und biodynamisch). Hingegen führen einseitige Fruchtfolgen sowie der intensive Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden zu einer Verarmung des Bodenlebens – Bodenerosion und -degradation sind die Folge. Wenn alle Betriebe weltweit auf Bio umstellen würden, braucht es allerdings auch eine Umstellung der Ernährungsweise auf mehr Gemüse und weniger Fleisch sowie eine Reduktion der Lebensmittelverschwendung. Siehe: Adrian Müller et al. (2017): „Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture”.
Um die Lebensmittelversorgung aller Menschen in Zukunft nachhaltig sicherzustellen, braucht es keine gentechnisch veränderten Pflanzen oder Tiere. Es braucht Zugang zu Land und Bildung, Beteiligungsmöglichkeiten, faire und funktionierende Wertschöpfungsketten, den Erhalt fruchtbarer Böden, agrarökologische Konzepte und Forschung, beispielsweise zu Fruchtfolgen oder Agroforst. Siehe auch www.weltagrarbericht.de
Wer die Demeter-Landwirtschaft beurteilen will, muss diese im Ganzen betrachten – und kann sich nicht nur die Präparate herausgreifen und sie aus dem Kontext reißen.
Die biodynamischen Präparate sind im biodynamischen Landbau eingebettet in ein Gesamtsystem, bei dem Fruchtfolgen, Düngung, angepasste Sorten und Tier-Rassen eine zentrale Rolle spielen. Dass dieses Gesamtsystem zu einer Landwirtschaft führt, die imstande ist, die Bodenfruchtbarkeit zu bewahren, wurde selbst im genannten Beitrag von „MaiThink X“ anerkannt. Vor allem die Kopplung von Pflanzenbau und Tierhaltung und die Düngung mit Festmist und Kompost, die bei Demeter sehr ausgeprägt ist, hat – das ist aktueller Stand der Wissenschaft – eine sehr hohe Bedeutung für eine nachhaltige Landbewirtschaftung. Auch wenn der mediale Augenmerk sich gerade stark auf die Präparate fokussiert: Mit Präparatearbeit, die in der Tat für viele biodynamische Betriebe ein wichtiges Element und in unseren Richtlinien vorgeschrieben ist, an der auf unseren Betrieben anfallenden Arbeitszeit nur einen geringen Anteil.
Zu Präparaten gibt es einige Untersuchungen sowie einige Studien, die wissenschaftlichen Standards entsprechen, peer-reviewed sind, also von anderen Wissenschaftler:innen geprüft wurden, und in anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen sind. Die Mehrzahl dieser Studien, die die Wirksamkeit von Präparaten untersucht haben, zeigen: Biodynamische Präparate haben eine positive Wirkung, etwa signifikante Effekte auf die Bodenstruktur, die Bodenaktivität oder auf die Früchtequalität. Um zwei aktuelle Beispiele aus diesem Jahr herauszugreifen: Ein Präparateversuch zeigte einen gesteigerten Ertrag sowie Gehalt an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen bei Kürbissen, die mit Präparaten behandelt wurden (Juknevičienė et al. 2021). Andere Studien widmeten sich dem Weinbau: So hatte Hornmist- und Hornkiesel-Behandlung einen signifikant positiven Einfluss auf die Bodenatmung (Fritz et al. 2020b) und die Bodenstruktur (Fritz et al. 2021) auf Weinbergsböden in Frankreich.
Forschungsfragen zu Präparaten und anderen landwirtschaftlichen Themen werden bei Demeter kontinuierlich bearbeitet. Mehr Informationen zum aktuellen Stand der Forschung gibt es hier beziehungsweise auf Englisch in "Open Agriculture".
Neben wissenschaftlichen Ergebnissen setzen viele Landwirt:innen auf Erfahrungswissen, das sie in der Arbeit mit Präparaten gewonnen haben. Ganz praktisch schwören übrigens sogar einige nicht Demeter-zertifizierte Winzer:innen auf die positive Wirkung der Präparate und wenden diese an. Diesen zusätzlichen Arbeitsaufwand würden sie sicher nicht auf sich nehmen, wenn sie nicht von den positiven Effekten überzeugt wären.
Die Demeter-Richtlinien gehen in vielem weit über die EU-Ökoverordnung hinaus. So sind in Demeter-Produkten wesentlich weniger Zusatzstoffe erlaubt als bei Bio; zum Beispiel ist Nitritpökelsalz verboten, da es gesundheitlich bedenklich ist. Demeter-Milch hat eine besondere Qualität, da sie nicht homogenisiert wird. Auch in Sachen Tierwohl geht Demeter über EU-Bio hinaus. Enthornung ist bei Demeter verboten, die Erhaltung horntragender Rinderrassen wird aktiv gefördert. 100% der Futtermittel müssen aus biologischem Anbau stammen. Die Brüder von Legehennen werden aufgezogen und Demeter engagiert sich in der Ökologischen Tierzucht (ÖTZ) für die Zucht robuster Mehrnutzungsrassen. Weite und vielfältige Fruchtfolgen mit einem ausgewogenen Anteil an Leguminosen sind Standard auf Demeter-Höfen.
Gerade zur Demeter-Landwirtschaft als Gesamtsystem gibt es zahlreiche Studien, die – über den in der Sendung dargestellten Aspekt des Erhalts von Humus hinaus – etliche weitere Wirkungen belegen, mit denen sich der Demeter- vom konventionellen und Bio-Landbau positiv abhebt. So zeigt der biodynamische Anbau in besagtem DOK-Versuch die geringsten Klimawirkungen und hat den höchsten Gehalt an Bodenlebewesen. Letzteres, die höchste biologische Aktivität und die beste Bodenstruktur bedingen nicht nur einen stabil fruchtbaren Boden, sondern führten in den letzten Versuchsjahren zusammen mit dem Anbau von biodynamisch gezüchteten Sorten auch zu 20% höheren Erträgen bei Weizen im Vergleich zur organischen Variante. (Aufgrund des Verbots von Kupfereinsatz im biodynamischen Kartoffelanbau, ist der Ertrag bei Kartoffeln hingegen 15% niedriger als in der Bio-Variante.) Positive Effekte auf die Bodenfruchtbarkeit zeigen sich auch in mehreren Studien zu anderen untersuchten Standorten.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Studien, die positive Auswirkung auf die Qualität von Demeter-Erzeugnissen, insbesondere höhere Gehalte an wertgebenden bzw. sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, zeigen. Zu den Wirkungen des Anbausystems Demeter gibt es ebenfalls hier eine tabellarische Übersicht wichtiger wissenschaftlicher Studien.