Selina Tenzer hat eine Beziehung, die im Wortsinne ganz tief geht: mitten hinein in den Boden. Die Bodenkundlerin ist fasziniert von ihm und teilt ihre Begeisterung für diese Wunderwelt im Untergrund auf dem 2000-m2-Weltacker in Berlin.
Schon seit meiner Schulzeit hat mich der Boden begeistert – die verschiedenen Typen, die es gibt, aber vor allem auch, dass sich, wenn man nur ein bisschen darin buddelt, im Boden nochmals eine ganz neue, überraschende und faszinierende Lebenswelt auftut, über die man noch so wenig weiß. Im Studium habe ich mich auf den Boden spezialisiert, weil hier so viele wissenschaftliche Disziplinen zusammenkommen, natürlich die Biologie, aber auch die Boden-Physik und -Chemie. Darüber hinaus geht es um Fragen der Art und Weise, wie der Boden genutzt wird und wie wir uns ernähren. Zudem geht es beim Thema Land immer auch um die Fragen der Gerechtigkeit, die ich sehr spannend finde. Ich bin überzeugt: Mit dem Boden kann man sich ein Leben lang gut beschäftigen.
„Bodenkönigin“ des 2000-m2-Weltackers, wie dessen Webseite verrät. Seit ihrem Masterabschluss der Bodenwissenschaften an der Universität Hohenheim engagiert sich die Bodenkundlerin im Berliner Büro der Zukunftsstiftung Landwirtschaft nicht nur für das Weltacker-Projekt, sondern auch als Bildungsreferentin bei der Kampagne „Stop Gene Drives“, einer Kampagne von „Save Our Seeds“. Ihre Lieblings-Bodenlebewesen sind die nicht einmal zwei Millimeter großen Kugelspringer – „mit ihren schreiend bunten Farben und ihren am Hinterleib abstehenden Härchen die echten Punks der Erde“ –, aber sie bewundert auch den Klassiker, den Regenwurm: „Ein wahrer Kraftprotz. Was er wegstemmen kann, ist so, als würde ein Mensch mit seiner Muskelkraft einen Transporter stemmen!“
Mit dem 2000-m2-Weltacker machen wir Boden begreifbar: In Berlin-Pankow zeigen wir, wie viel Ackerfläche jedem Menschen auf der Erde rein rechnerisch zur Verfügung steht – und das sind 2.000 Quadratmeter. Die werden errechnet, wenn man die ganze Ackerfläche der Welt, also die 1,5 Milliarden Hektar, durch 7,5 Milliarden Menschen teilt.
Der Boden ist schlicht und ergreifend unsere Lebensgrundlage, die wir so nötig haben wie Luft und Wasser. Mit ihm führen wir eine enge und existenzielle Beziehung. Wir müssen ihn und alles, was in ihm lebt, nähren, sodass er uns wiederum ernähren kann und uns Energie und Kraft gibt.
Selina Tenzer, Bodenkundlerin
Ja, wir bauen hier die häufigsten Ackerkulturen dieser Welt im gleichen Verhältnis an, wie sie auf den Feldern weltweit wachsen. Wir zeigen hier den ganzen Ackerbau der Welt auf den 2.000 Quadratmetern. Damit zeigen wir Ungleichgewichte im globalen Anbau auf, aber erklären auch die Auswirkungen des Anbaus der jeweiligen Frucht. Gleichzeitig zeigen wir auch: Wir Menschen sind nicht die Einzigen, die von „unseren“ 2.000 Quadratmetern Boden leben. Diese sind nämlich von Milliarden anderer Lebewesen bevölkert, deren Leben davon abhängt, wie dieses Stückchen Land bewirtschaftet wird. Gleichzeitig zeigen wir, dass der Boden die Grundlage dafür ist, dass wir auf der Erde leben können.
Dies zu sehen, beeindruckt viele Besucher:innen – denn weltweit bauen wir nicht nur Getreide an wie Weizen, Mais, Soja und Reis, was insgesamt rund die Hälfte, also rund 1.000 Quadratmeter ausmacht. Hinzu kommen Erdnüsse und Tabak – aber auch Öl und Stärke für vielerlei industrielle Zwecke, Kautschuk für unseren Gummibedarf (in Form von Autoreifen) und nicht zuletzt das Saatgut für die nächste Ernte und Baumwolle für unsere Kleidung. Die Fläche für Gemüseanbau macht nur vier Prozent aus – das sind dann nur 40 Quadratmeter pro Person!
Auch zeigen wir konkret die Auswirkungen unseres Konsums, zum Beispiel, welcher Anteil dieser angebauten Feldfrüchte als Tierfutter dient – etwa für Schweine –, und machen den Flächenverbrauch für die Fleischproduktion anschaulich: Wenn ich meine gesamten 2.000 Quadratmeter des Ackers mit Weizen bepflanze, kann ich damit zwei Schweine mästen – aber ich hätte keinen Platz mehr für andere Kulturen. Oder wir zeigen am Beispiel des Rapsanbaus für Biodiesel: Wenn ich meine 2.000 Quadratmeter allein damit bepflanzen würde, könnte ich mit der Energie daraus fünfmal die Strecke Hamburg–München fahren, und es bliebe nichts für den Anbau von Lebensmitteln übrig. Oder wir zeigen auch auf, dass ein Drittel aller angebauten Ackerfrüchte direkt in der Tonne landet.
Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an. Vieles, was zuvor abstrakt geblieben ist, wird hier konkret. Den Besucher:innen wird klar, dass wir mit jedem Einkauf – ob neue Kleidung, Nahrungsmittel oder Biosprit – Landwirt:innen den Auftrag erteilen, ein Stück dieses Ackers für das jeweilige Produkt zu bewirtschaften. Wir sehen also direkt eine Verbindung zwischen unserem Verbrauch und der Art und Weise, wie Land bewirtschaftet wird. Diese Frage wird in Zukunft noch mehr Bedeutung gewinnen, denn die Prognose ist, dass wir 2050 pro Person nur noch 1.500 Quadratmeter zur Verfügung haben – dies hängt nicht nur davon ab, wie stark die Weltbevölkerung wächst, sondern auch, wie schnell unsere Böden weiter degradieren, das heißt, durch Wind und Wasser von Erosion oder von Versalzung oder Versteppung betroffen sind. Durch den fortschreitenden Klimawandel wird leider immer mehr Land in Zukunft nicht mehr für den Ackerbau und unsere Ernährung genutzt werden können.
Durch das aufkommende Klimabewusstsein bekommt der Boden heute viel Aufmerksamkeit. Je mehr Humus vorhanden ist, umso mehr CO2 wird gespeichert. In meinem Seminar zeige ich, wie man berechnet, wie viel CO2 in einem Quadratmeter Boden steckt, und was man dafür alles in Betracht ziehen muss. Allerdings erachte ich die wachsende Fokussierung auf den Boden als Kohlenstoffspeicher als teilweise sehr einseitig, weil der Boden viel mehr ist als das: ein Lebensraum wie etwa der Ozean oder der tropische Regenwald – denn auch hier gibt es eine überbordende Artenvielfalt – und darüber hinaus ein komplexer Organismus! Wenn man aus diesem System jetzt nur rauspickt, wie es CO2 speichert, und Maßnahmen vorschlägt, die allein darauf ausgerichtet sind, dann wird man dem Boden nicht gerecht. Ja, generell ist es wichtig, Humus aufzubauen – der natürlich als Nebeneffekt CO2 speichert. Der Hauptfokus sollte jedoch sein, Humus aufzubauen, um in einem gesunden Boden gute Lebensmittel zu produzieren und ihn als Lebensraum und Organismus zu erhalten und zu nähren.
Ich spüre meine Verbindung, meine eigene Boden-Connection, bei meinem Gemüsegarten-Projekt. Ich arbeite einfach gern mit den Händen in der Erde. Es gibt übrigens Studien dazu, die beweisen, dass der Körper Endorphine ausschüttet, wenn man seine Hände in die Erde steckt. Es gibt deswegen auch verschiedene Gartenprojekte, gerade in Gefängnissen. Wenn die Menschen dort gärtnern und mit dem Boden arbeiten, sinkt das Aggressionspotenzial deutlich. Wenn ich in Kontakt mit dem Boden bin, komme ich nicht nur zur Ruhe, sondern ziehe daraus auch Kraft und Energie. Und jeder, der selbst gärtnert, kann meine Freude nachempfinden, zu erleben, wie alles, was man tut und getan hat, sich in einem ökologischen System bedingt … und einfach wächst. Ein Geschenk, das einem der Boden macht!
Seit 2013 existiert das Projekt, 2017 war der Weltacker zur Internationalen Gartenausstellung in Marzahn ein großer Besuchermagnet. Seit 2018 befindet sich der Weltacker im Botanischen Volkspark Pankow. Der 2000-m2-Weltacker bildet maßstabsgetreu nach aktuellen Zahlen der Welternährungsorganisation FAO ab, wie die Menschheit ihre 1,5 Milliarden Hektar Ackerland derzeit nutzt. Den Weltacker mit seinen 45 wichtigsten Kulturen kann man täglich besuchen. Bildungsprogramme für Schulklassen und Veranstaltungen zu verschiedenen Themen der Landwirtschaft, wie z. B. der Ackertalk, ergänzen die Dauerausstellung. Projektträgerin und Initiatorin ist die Zukunftsstiftung Landwirtschaft der GLS Treuhand. www.2000m2.eu
Dass sauberes Trinkwasser aus dem Hahn sprudelt, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wem wir es zu verdanken haben? Natürlich dem Regen, aber auch: dem Boden.
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Dass sich das Ehepaar von Bonin mit 56 (Elisabeth) und 74 Jahren (Gyso) nochmals ein neues Leben aufbauen kann, ist mehr als ein glücklicher Zufall. Davon ist Gyso von Bonin überzeugt.