Pflanzen sind im Austausch miteinander, passen sich ihrer Umwelt an und verändern sich. Einige ihrer Eigenschaften werden an die nächste Generation weitergegeben, andere nicht – ihre Vererbung ist ein hochkomplexer und unberechenbarer Prozess. Wird aber technisch in das Genom eingegriffen, geraten Organismus und Ökosystem schnell aus der Balance.
Tomatenpflanzen, die lernen, sich gegen Fressfeinde zu wehren. Maispflanzen, die durch Duftstoffe Nützlinge zur Verteidigung anlocken. Studentenblumen, die über einen Giftstoff andere Pflanzen am Wachstum hindern. Lange Zeit dachten wir, dass wir einzelne Eigenschaften von Pflanzen in ihrer DNA verorten und wie bei einer Maschine an ihnen tüfteln, schrauben und sie für uns nutzen können. Dass sie jedoch viel verflochtener aufgebaut sind, sich untereinander verbinden und sensibel auf Veränderungen in ihrem Umfeld reagieren, trägt Florianne Koechlin, Biologin und Chemikerin, in ihrem Buch „Von Böden die klingen und Pflanzen die tanzen: Neue Streifzüge durch wissenschaftliches Unterholz“ zusammen.
„Innerhalb der Zelle wird viel kommuniziert: Das Gen gibt Informationen an die Proteine weiter und diese wiederum ergeben den Bauplan eines Lebewesens und beeinflussen dessen Stoffwechsel. Diese Kommunikation findet eigentlich ununterbrochen statt und funktioniert sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung“, erklärt Florianne Koechlin.
Je nach Umgebung kann ein DNA-Abschnitt oder Gen verschiedene Funktionen haben und Änderungen im Verhalten oder dem Aufbau einer Pflanze hervorrufen. Es kommt daher immer darauf an, in welchem Kontext es steht. „Die Annahme, dass ein bestimmter DNA-Abschnitt oder ein Gen allein verantwortlich für die Vererbung ist, ist mittlerweile überholt. Wenn nun ein Gen technisch ausgetauscht, verändert oder entfernt wird, dann greift das in ein sehr dynamisches und ausbalanciertes System ein. Jeder Eingriff – sei er noch so klein – kann zu unvorhergesehenen Entwicklungen führen und bringt einen harmonischen Organismus aus dem Gleichgewicht“, so Antje Kölling, politische Sprecherin bei Demeter.
Die Bedingungen andere als im Labor. Breiten sich genveränderte Pflanzen unkontrolliert aus, kann das weitreichende Folgen für unsere Ökosysteme haben. Einmal freigesetzt, ist es kaum noch möglich, die Pflanzen zurückzuholen, insbesondere dann, wenn sie sich mit Wildpflanzen kreuzen. Sie gelangen in ein sehr vielfältiges Umfeld und interagieren mit anderen Lebewesen, Boden, Wasser und Luft. Dadurch können sie sich verändern und es können unerwartete Dynamiken auftreten. „Wir können immer noch nicht vollends abschätzen, welche langfristigen Folgen der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft haben wird. Die Verbreitung resistenter Unkräuter in den USA ist ein Beispiel für eine Fehlentwicklung. Insbesondere für die neuen Gentechniken wie beispielsweise CRISPR/Cas muss daher auch weiterhin das EU-Vorsorgeprinzip gelten: Eine aus-
reichende Risikoprüfung, Rückverfolgbarkeit, Transparenz und natürlich die Kennzeichnungspflicht sind weiterhin notwendig“, fordert Antje Kölling. „Und das nicht nur zum Schutz unserer Bäuerinnen und Bauern, unserer Agrar-Ökosysteme und der Verbraucher:innen – sondern auch aus Respekt vor der Pflanze, deren komplexe innere Prozesse wir gerade mal im Ansatz verstehen können.“
Florianne Koechlin: Von Böden die klingen und Pflanzen die tanzen
Neue Streifzüge durch wissenschaftliches Unterholz
Lenos Verlag 2021 www.lenos.ch
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