Eine Frage des Geschmacks

Hier zählen innere Werte

Samenfeste Sorten schmecken nicht nur anders, sondern sind auch kleine Revolutionärinnen auf dem Gemüseacker, die sich dem System der Saatgutkonzerne entgegenstellen. Boris Voelkel findet: Sie sind die Zukunft!

Bunte Möhren mit der Schrift "Hier zählen die inneren Werte"
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Noel V. Baebler/shutterstock.com

Die Sortenvielfalt schwindet weltweit – und damit auch die Diversität im Gemüseregal. Zehn Unternehmen dominieren den weltweiten Saatgutmarkt, drei Viertel aller Sorten sind in den letzten 100 Jahren verschwunden. In Supermarktregalen liegen meist Hybridsorten, die speziell auf äußere Merkmale wie Wachstum, makelloses Aussehen und einheitliche Abreife gezüchtet werden; und auch Biogemüse stammt noch oft aus konventionellem Saatgut und von Hybriden. Im ersten Anbaujahr bescheren Hybridsorten Bauern und Bäuerinnen reiche Ernten, doch würden sie daraus Saatgut gewinnen und wieder aussäen, wäre der Aufwuchs bei den meisten Gemüsen derart durcheinander und der Ertrag ginge so deutlich zurück, dass die Ernte unverkäuflich wäre. Deswegen muss solches Hybrid-Saatgut jedes Jahr neu gekauft werden. „Besonders in Entwicklungsländern ist diese erzwungene Abhängigkeit auch ein ethisch-moralisches Problem“, erklärt Boris Voelkel von der Naturkostsafterei Voelkel die Abhängigkeitsspirale. Das aufkommende Interesse bei Verbraucher*innen für solche Fragen und auch für alte, fast vergessene sowie geschmacklich besondere Gemüsesorten freut ihn.

Gemüse, das bunter schmeckt …

„Wir wollen gesunde Lebensmittel aus gesunden Struk­turen! Dazu gehören samenfeste Sorten, das heißt: Die Merkmalsausprägungen werden bei entsprechender Erhaltung von Generation zu Generation vererbt, so muss nicht jedes Jahr neues Saatgut gekauft werden. Biodynamisch gezüchtete Sorten sind immer samenfest und werden darüber hinaus, anders als Hybridsorten, auf innere Werte hin gezüchtet – etwa auf Bekömmlichkeit, Vitalkraft und Geschmack“, so der Saft-Experte. Er ist überzeugt davon, dass man die besondere Qualität solcher Sorten schmeckt: „Wir machen regelmäßig Blindverkostungen von Bio-Saft aus Hybrid- wie auch samenfesten Möhren. Den besonderen Charakter schmecken wir jedes Mal heraus. Das motiviert, für biodynamische Sorten zu kämpfen.“ Als gutes Beispiel nennt er den „Feldfrischen Möhrensaft“, einen Voelkel-Klassiker, den das Familienunternehmen von der Züchtung bis in die Flasche eng begleitet: „Die ‚Rodelika‘ ist wohl die bekannteste samenfeste Möhre. Da sie für unsere Säfte zu süß war, haben wir die Züchter*innen vom Verein Kultursaat bei der Entwicklung einer anderen Möhrensorte unterstützt: ‚Solvita‘. Damit haben wir eine biodynamische Sorte, die im Saft sahnig, mild und sehr harmonisch schmeckt und gemeinsam mit der Rodelika den perfekten feldfrischen Genuss in die Flasche bringt.“

… ist eine Gemeinschaftsaufgabe!

Die Gemüsesorten-Vielfalt zu retten oder gar zu bereichern, ist keine kleine Aufgabe, dessen ist sich Boris bewusst. Denn: Damit mehr samenfeste Gemüsesorten künftig in die Bioladen-Regale kommen, müssen alle mitmachen: von Menschen, die sich der aufwendigen Zucht widmen, über Menschen, die die Sorten anbauen und verkaufen, bis zu denen, die sie konsumieren. Aus Überzeugung bringt sich Boris deswegen als Vorstand beim Verein Kultursaat ein. Verbraucher*innen ermutigt er, sich mit dem Thema zu beschäftigen: „Wer Gemüse samenfester oder gar biodynamisch gezüchteter Sorten in der Küche haben will, muss sie entweder selbst anbauen oder im Bioladen nachfragen.“

Boris Voelkel
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Voelkel

Boris Voelkel leitet gemeinsam mit seinem Vater, zwei Brüdern und einem weiteren Gesellschafter die Naturkostsafterei Voelkel in vierter Generation. Im Wendland werden hier Obst und Gemüse zu Bio- und Demeter-Säften verarbeitet; seit 2017 kommt nur noch samenfestes Gemüse in die Flasche. Boris trinkt am liebsten den Demeter Rote-Bete-Ingwer-Saft – „Der gibt mir Energie für einen guten Start in den Tag!“

Biodynamische Zucht

Samenfeste Sorten aus biodynamischer Entwicklung sind robust, lecker und zukunftsfähig. Doch die Forschungsarbeit ist teuer und aufwendig. Die Züchter*innen des gemeinnützigen Vereins Kultursaat arbeiten in etwa 30 biologisch-dynamisch bewirtschafteten Zuchtgärten im deutschsprachigen Raum an der Entwicklung neuer, samenfester Sorten; bisher sind über 100 Neuzüchtungen entstanden. Die Bingenheimer Saatgut AG vertreibt das Saatgut an Hobbygärtner*innen und Erwerbsbetriebe.

Dieser Artikel stammt aus dem Demeter Journal


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