Der „Michlbauer Hof“ war schon immer da, so scheint es. Heute leben hier Rinder, Hühner und viele Ziegen. Und zwei besondere Menschen, die nicht nur eine Familie gegründet haben, sondern sich mit Ideen, Mut und Zähigkeit den Traum von der idealen Landwirtschaft erfüllen.
Wer der ursprüngliche Michl war, der dem Hof in Stockau bei Amberg vor mehreren Jahrhunderten seinen Namen gab, weiß niemand mehr so genau. Heute liegt der „Michlbauer Hof“ in den Händen von Schirin Oeding (33) und Sebastian Meier (40). Über die letzten Generationen hinweg hat fast immer die Tochter den Hof geerbt und weitergeführt – was in der Oberpfalz unüblich ist. Und auch wenn es in diesem Fall Sebastian war, der den Hof von seinen Eltern geerbt hat, würde es ihn ohne die Frau an seiner Seite wohl so nicht mehr geben.
Die gemeinsame Geschichte von Schirin und Sebastian beginnt 2017. Wie viele Paare haben sie sich online gefunden – „aber an einem anderen Ort, als Paare das üblicherweise handhaben: auf der Biowarenbörse“, berichtet Schirin und lacht. Das passt zu den beiden, für die Bio eine echte Herzensangelegenheit ist. „Ich war gerade an einem Punkt angelangt, wo ich entschieden hatte: Alleine führe ich diesen Hof nicht mehr weiter“, erzählt Sebastian, „doch dann kam Schirin mit ihren vielen guten Ideen – und zu zweit haben wir Kraft und Mut gefunden, vieles neu anzupacken.“ So lange ist das noch gar nicht her, obwohl sich, so empfindet er es, mit Schirin fast alles auf dem „Michlbauer Hof“ geändert hat.
Sebastians Eltern hatten den Hof Anfang der 90er-Jahren als Pioniere der Region auf Bio umgestellt. Nach zehn Jahren, in denen Sebastian in München als Musiker und Instrumentenbauer lebte, war er zurückgekehrt – seine drei Schwestern hatten Berufe abseits der Landwirtschaft gewählt. „Diesen Hof in heutigen Zeiten zu erben, wo der Einstig in die Landwirtschaft kaum möglich ist, weil die Anfangsinvestitionen so groß sind, ist eine große Chance, die nicht viele haben. Gleichzeitig ist die Verantwortung dafür auch eine Bürde, denn ich will natürlich nicht derjenige sein, der in der langen Reihe meiner Vorfahren den Betrieb aufgibt.“ „Sebastian gibt es nur mit Bauernhof, das war mir von Anfang an klar“, erzählt Schirin. „Der ‚Michlbauer Hof‘ ist ein echtes Geschenk, auf das man sich jedoch voll und ganz einlassen muss.“ 2018, ein Jahr nach ihrem Kennenlernen, ist Schirin zu Sebastian gezogen. Und sie war genau die Richtige für ein solches Abenteuer: Aufgewachsen in Kanada, hat sie zuerst im Nordosten der USA ihren Bachelor in Ökologie und Landwirtschaft, dann an der Universität Hohenheim ihren Masterabschluss in Agrarwissenschaften absolviert. „Landwirtin zu sein, ist mein absoluter Traumberuf“, bekräftigt sie. In Teilzeit verantwortet Schirin zudem beim Demeter e. V. ein Forschungsprojekt, das sich mit der Verbandszertifizierung befasst.
Mich hat vor allem die ganzheitliche Betrachtungsweise von Land, Mensch, Natur und Tier in der biodynamischen Landwirtschaft überzeugt.
Sebastian Meier, Demeter-Landwirt
Neben den Hühnern samt Hähnen halten Schirin und Sebastian die 15-köpfige Mutterkuh-Herde mit Charolais-, Limousin-, Fleckvieh- und Wagyu-Mutterkühen, dazu Wagyu-Stiere. „Unsere Rinder gehören fest zum Hof: Sie liefern wertvollen Mist für unsere Äcker, fressen das Futter, das die Feinschmecker-Ziegen auf den Wiesen nicht fressen, und sind gutmütige, ruhige Tiere – ganz im Gegensatz zu den neugierigen, lebendigen Ziegen, die den Kontakt mit den Menschen suchen“, erklärt Schirin. Die rund 100 Bunten Deutschen Edelziegen und Thüringer Waldziegen mit ihren 150 bis 200 Zicklein und den Ziegenböcken sind heute das Herz des Betriebs. Die Ziegenhaltung begann Sebastian, als er 2012 den Hof von seinem Vater übernommen hatte, damals gab es hier nur noch ein paar Kühe und Pferde. Ziegen wurden früher in der Oberpfalz traditionell gehalten, ältere Menschen hier kennen Ziegenmilch und -fleisch noch aus ihrer Kindheit.
Von Frühling bis Herbst sind die Ziegen auf den Magerflächen und im Winter im warmen Stall. Im Februar startet das Ziegenjahr auf dem Hof, wenn die Zicklein geboren werden, die seit 2019 allesamt bei ihrer Mutter trinken und mit in der Herde aufwachsen dürfen. „Genauso sollte es sein! Doch die Milch fehlt uns natürlich für die Vermarktung“, erklärt Schirin. Die fehlenden Einnahmen werden in ihren Augen jedoch wettgemacht durch ein stressfreies und natürliches Sozialverhalten in der Herde, die Tiere sind von Anfang an gesünder und robuster.
„Dennoch gibt es immer wieder Momente, in denen wir uns fragen: Können wir uns das finanziell überhaupt leisten?“ Auch wenn sie selbst dringend auf Milch angewiesen seien, um Käse und andere Milchprodukte herzustellen – die Zicklein bräuchten sie eben auch! „Da zeigt sich: Wir sind auf Verbraucher angewiesen, die unseren hohen Anspruch ans Tierwohl und an eine Haltung, die dem Wesen der Tiere entspricht, auch honorieren.“ Eine große Herausforderung war die Vermarktung der Zicklein. „Die Milchpreise müssen die Aufzucht der Zicklein mittragen, sonst funktioniert es nicht. Denn es gibt nun mal nicht nur weiblichen Nachwuchs, der sich für die Milchproduktion eignet, sondern eben auch Ziegenböcklein“, erklärt Schirin. Sebastian hat einen Wunsch: „Wenn alle, die das ganze Jahr unsere Käseprodukte kaufen, auch ein Zicklein pro Jahr essen, haben wir eine gute Balance!“ Geschlachtet wird nur auf Bestellung, im Sommer ungefähr einmal pro Monat. Das Fleisch wird entweder im Hofladen oder am Marktstand in Amberg angeboten sowie in die Münchner Gastronomie geliefert, in die Sebastian aus seinen Musikerzeiten noch viele Kontakte pflegt. Auch in Berlin kann man in der „Fleischhandlung“ in der Invalidenstraße das Zickleinfleisch bekommen. Allerdings noch nicht an Ostern: „Da sind die noch zu klein, sie werden bei uns mindestens fünf Monate lang aufgezogen“, erklärt er. Die beiden Biometzger befinden sich wenige Autominuten entfernt, das Fleisch wird auf dem Hof zerteilt. Verkauft wird dann das ganze Tier, also „nose to tail“, mit Knochen.
Ich freue mich über die Menschen, die sich für unsere Art der Landwirtschaft begeistern und sie wertschätzen.
Schirin Oeding, Demeter-Landwirtin
Vom Futter bis zum Marktstand – Sebastian und Schirin stemmen alles selbst, mithilfe eines Mitarbeiters und einer Auszubildenden. Nebenbei hat Sebastian auch noch die neue Wohnung am Hof ausgebaut, in die die Familie gerade umzieht. Manchmal kann Schirin kaum fassen, wie viel in den letzten Jahren passiert ist. Die beiden sind nicht nur Eltern geworden – Tochter Roswitha ist heute ein Jahr alt –, sondern haben den „Michlbauer Hof“ rundum erneuert. Seit 2022 verarbeiten sie die gesamte Milch selbst in der eigenen kleinen Käserei auf dem Hof. Mut und Aufwind gaben ihnen die begeisterten Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden – und Erfolge wie die Auszeichnung für Schirins Kreation „Ziegenmilch-Karamell“, die 2020 als „Bayerns Bestes Bioprodukt“ ausgezeichnet wurde. „Es war großartig zu sehen: Wenn wir eine Idee haben, können wir die umsetzen. Wir haben uns in den letzten Jahren viele Wünsche erfüllt. Wir waren idealistisch und zuweilen vielleicht auch etwas naiv, aber wir haben es einfach gemacht und uns getraut“, sagt sie. So schön die letzten eineinhalb Jahre auch waren – anstrengend waren sie auch. Tochter Rosi hat inzwischen Laufen gelernt, und auch Sebastian und Schirin sind große Schritte mit der eigenen Vermarktung ihrer Produkte gegangen. Die Zeit dafür war jedoch nicht einfach. „Anfangs hat Bio noch geboomt“, erzählt Schirin. „Doch dann kam der Krieg in der Ukraine, die Menschen schauen seither mehr aufs Geld, auch bei Lebensmitteln. Heute fragen wir uns schon, wie es wohl weitergeht und ob sich unsere Idee von guter Landwirtschaft langfristig tragen kann. Wir wollen das, was uns antreibt, in die Gesellschaft tragen und bei allem, was wir tun, transparent sein. Damit vermitteln wir unseren Kundinnen und Kunden auch: Wir brauchen euch, um so arbeiten zu können, wie wir es tun.“
Dass es solche Menschen gibt, die ihre Art der Landwirtschaft wertschätzen, gibt ihnen Kraft. „Dafür sind wir unendlich dankbar“, sagt Schirin. Ebenso dafür, dass ihnen auf ihrem Weg immer wieder Menschen zur Seite standen: mit Wissen, aber auch mit ganz konkreter Hilfe. „Und letztendlich“, ergänzt Sebastian, „sind wir auch dankbar für die Beratungs- und Förderstrukturen, die es hier für landwirtschaftliche Betriebe gibt. Natürlich bringt das viel Bürokratie mit sich, doch wir sind in Deutschland wirklich sehr privilegiert, was die Unterstützung durch Ämter, Verbände und Behörden betrifft. Solch gute Bedingungen und eine so gut funktionierende Infrastruktur gibt es nicht überall.“ Letztere haben die beiden vor ein paar Jahren schätzen gelernt, als sie mit dem Gedanken spielten, alles hinter sich zu lassen und nach Kanada auszuwandern, um dort einen Hof zu gründen. „Dort, wo wir uns niedergelassen hätten, ist es unglaublich schön. Dieses Freiheitsgefühl und die Weite, das gibt es hier nicht. Aber: Wir wären eben ganz auf uns gestellt gewesen, ohne bewährte Strukturen und ohne soziales Netz“, blickt Schirin auf die Entscheidung der beiden zurück, schlussendlich doch hierzubleiben. So ließen sie sich mit ganzem Herzen auf das Abenteuer „Bauernhof in der Oberpfalz“ ein. „Ich sage immer: Wir verreisen nicht mehr so viel wie früher, weil wir so viel arbeiten, doch die Menschen kommen zu uns und bringen die Welt mit. Das genieße ich“, schwärmt Schirin. So kommen Schulklassen und Kindergartengruppen, aber auch Musikbegeisterte zu Konzerten unter dem Sommerhimmel zwischen Ziegenstall und Rinderweide. Auch melden sich immer wieder Menschen, die für ein paar Wochen mitarbeiten wollen.
Zu tun gibt es mehr als genug, vor allem im Sommer. Im zurückliegenden Sommer hat Sebastian von frühmorgens bis zur Dunkelheit gearbeitet, kein einziges Mal hat er es ins Freibad nebenan geschafft. „Einen Hof zu führen, ist auch ein Kraftakt“, sagt er. So sind die beiden oft an ihr Limit gekommen und fragten sich, wann sie endlich kommen würde, die nächste Pause – oder eben auch: mehr Zeit für die Familie, für sie als Paar, für sich selbst. „Den Hof zu pflegen, das ist unsere Aufgabe. Die lieben wir. Aber diese Aufgabe darf nicht auf Kosten unseres eigenen Lebens erfüllt werden – es darf nicht sein, dass wir am Ende so erschöpft sind, dass wir nicht mehr können. Wie in einer Beziehung müssen wir uns immer wieder aus freien Stücken für dieses Leben und Arbeiten, für diese Verpflichtung entscheiden“, erzählt Schirin. Der „Michlbauer Hof“ sei fast schon wie ein dritter Partner in der Beziehung präsent. Sebastian stimmt dem zu: „Das ist manchmal schwierig. Doch in der Landwirtschaft zu arbeiten ist ein ehrlicher, sinnstiftender Beruf. Wir spüren die Verantwortung für den Boden und das Land, das wir bekommen haben. Und erleben dabei das Abenteuer, hier als Familie, als Betrieb, aber auch persönlich zu wachsen.“
wird geführt von Sebastian Meier und Schirin Oeding. In dem vielseitigen Betrieb mit Ackerbau, Waldbewirtschaftung sowie Rinder-, Hühner- und Ziegenhaltung wird inzwischen die komplette Ziegenmilch in der hofeigenen Käserei verarbeitet und vermarktet. Geschlachtet wird im Sommer einmal pro Monat auf Bestellung. Die Produkte – darunter auch der als „Bayerns bestes Bioprodukt“ ausgezeichnete „Ziegenmilch-Karamell“ – gibt es im Hofladen sowie freitagvormittags von 9 bis 13 Uhr auf dem Amberger Bauernmarkt.
Michlbauer Hof & Manufaktur, Stockau 3, 92289 Ursensollen
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