Marianus von Hörsten (31) hat sich zum „Besten Jungkoch der Welt“ gekocht – dann aber der Sterneküche den Rücken gekehrt und ein eigenes Restaurant eröffnet, das es besser machen will. In seiner NDR-Doku-Sendung „Green Garage“ klärt er Fragen zum nachhaltigen Leben. Und hier verrät er unseren Leserinnen und Lesern das „besondere Kunststück der Kuh“.
Das war eine recht spontane Entscheidung: Nachdem ich die Schule kurz vor dem Abitur abgebrochen hatte und nach einer längeren Reise durch verschiedene Länder Afrikas wieder zu Hause auf dem Demeter-Hof Wörme in der nördlichen Lüneburger Heide stand, verlangte mein Vater: Du musst etwas tun, sonst fliegst du raus! Die Ausbildung in der Nähe bot sich an, Kochen machte mir Spaß – und so wurde ich begeisterter Koch.
Ich bin nach meiner Ausbildung direkt in die Sterneküche des Berliner Hotels „Adlon“ gegangen, war unter anderem aber auch bei Tim Raue und in anderen Sterneküchen; die Stationen wurden gegen Ende immer kürzer. Irgendwann war ich erschöpft, ausgebrannt und unglücklich. Da hatte ich die Wahl: Ich akzeptiere die Umstände der Sterneküche und mache weiter – oder ich gehe. Ich bin dann gegangen, auch um gesund zu bleiben.
Mit Anfang zwanzig bin ich diesen „Göttern“ hinterhergejagt, den Sterneköchen, dem Prestige und dem Erfolg. Ich habe allen geglaubt, die mir weismachten: Wenn du es schaffst, in diesen widrigen Bedingungen ein Jahr lang durchzustehen, dann stehen dir alle Türen offen. Ich war aus meiner heilen Öko-Welt dorthin gekommen und habe in den Sterneküchen nicht nur Drogen- und Alkoholmissbrauch erlebt, sondern war auch mit körperlicher Gewalt konfrontiert – und das alles zu einem Lohn, der nicht im Geringsten die zahllosen unbezahlten Überstunden abbildet. Ziemlich schnell hatte ich die Freude am Kochen verloren. Eine Zeitlang versuchte ich, sie durch Wettkämpfe wie der Welt- und Europameisterschaft wiederzuerlangen, aber irgendwann hatte ich auch von dieser Art der Selbstoptimierung genug, die am Ende auch nur die eigene Eitelkeit pflegt. Mit einem Stipendium habe ich 2015 meinen Meister gemacht und mich dadurch – trotz fehlendem Abitur – für die Universität qualifiziert. Dann habe ich erst einmal einen Schlussstrich gezogen und hier in Hamburg Geografie und Friedensforschung studiert.
Nachhaltigkeit interpretieren wir als rechtzeitiges Nachdenken: am besten in allem so zu handeln, als würde einem die Welt selbst gehören.
Marianus von Hörsten, Koch, Restaurantbesitzer und Moderator
Ja, ich habe 2019 mit einem Freund den „Klinker“ in Hamburg eröffnet. Uns war aber klar: Wenn wir Gastro machen, dann anders! Mit einem klassischen Restaurant haben wir nur gemeinsam, dass es hier Tische und Stühle gibt und Menschen Essen und Getränke bekommen. Wir haben ein starkes Fundament an Werten, an dem wir unser Ideal ausrichten – und das beruht auf Nachhaltigkeit in allen Facetten – ökologisch, ökonomisch und sozial.
Wir kochen nur mit Demeter- und Bio-Zutaten, vieles kommt vom heimischen Hof Wörme. Wir veredeln also Lebensmittel, die gut für den Boden sind, für das Klima, für die Umwelt, die aber auch – etwa bei Fleisch und Milchprodukten – garantieren, dass das Tier ein gutes Leben hatte. Aus Respekt und Wertschätzung kaufen und verarbeiten wir immer das ganze Tier, das unter Demeter-Bedingungen gehalten wurde. Das macht zwar mehr Arbeit, lohnt sich aber. Wir verschwenden so gut wie keine Lebensmittel und machen Gemüse und Obst dann haltbar, wenn es gerade Saison hat. Bei der Ernteschwemme im Sommer präservieren wir Tomaten, aber auch Gurken, Fenchel und anderes fürs ganze Jahr. Und Knochen kochen wir dreimal aus! Zudem halten wir es oft „plain and simple“, das heißt, wir kochen mit all den saisonalen und regionalen Lebensmitteln so, dass es ohne den Aufwand, den etwa eine Sterneküche betreibt, richtig gut schmeckt. Wir haben auch eine kleine Karte – mit übrigens nur zwei Fleischgerichten.
Das hängt alles zusammen! Wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu leben, heißt vor allem auch: Wie bekommen wir es hin, dass wir die Menschen, die hier arbeiten, fair entlohnen und dass sie ihre Arbeit in acht Stunden am Tag verrichten können? Dass wir Gäste haben, die unsere Arbeit schätzen und die Atmosphäre im „Klinker“ so genießen, dass sie einen fairen Preis bezahlen? Dafür brauchen wir Ideen, aber auch eine gute Grundstimmung im „Klinker“-Team, mit Menschen, die sich mit ihrer Aufgabe identifizieren. Dieses Meisterstück schafft unser Küchenchef! Gäste sollen bei uns einen wunderbaren Abend mit tollem Essen und guten Getränken verbringen – zu unserem Zauber gehört aber auch eine gewisse Entspanntheit und eine besondere Aufmerksamkeit im Service. Damit kommen wir auch gleich zum Sozialen: In einer Branche, in der es üblich ist, unter schwierigen Bedingungen für wenig Lohn viel zu arbeiten, kann ich behaupten, dass wir mit einer 38-Stunden-Woche und einer fairen Bezahlung sehr gute Arbeitsbedingungen bieten. Dazu gehört – und das war auch ein Wagnis! –, dass wir am Wochenende generell geschlossen haben. Wer bei uns kellnert oder kocht, kann am Wochenende Fußball spielen gehen, mit Freunden ins Kino, mit der Familie an den See! In der Gastronomie zu arbeiten und dennoch seinen Freundeskreis zu behalten, ist eine Ausnahme und wertvoll.
„Green Garage“ ist eine andere Spielwiese, aber auch damit möchte ich Menschen Möglichkeiten aufzeigen, wie wir bewusster, nachhaltiger essen, uns kleiden und mit unserem Müll umgehen können. Aber ohne erhobenen Zeigefinger. Als, sagen wir mal, „moderierender Aktivist“ stelle ich Fragen, zum Beispiel: Darf man Rindfleisch essen?
Hier gibt es eben kein einfaches Ja oder Nein. Gerade in jungen, politisch aktiven Kreisen herrscht das Narrativ vor, dass Rindfleisch zu essen per se schlecht sei. Die Meinung hingegen,dass das Rind ökologisch auch sinnvoll sein könnte, stößt auf Gegenwehr. Es ist wichtig, hier den Konjunktiv zu verwenden, denn Rinderhaltung ist natürlich nicht sinnvoll, wenn die Tiere in Massen gehalten werden, nicht auf die Weide dürfen und mit Soja aus Übersee gefüttert werden. Doch Aussagen wie „Die Kuh ist ein Klimakiller“ sind heute doch immer sehr zugespitzt. In der „Green Garage“-Sendung erkunde ich das Thema gemeinsam mit Expertinnen und Experten von unterschiedlichen Seiten. Und da gibt es dann eben auch Einblicke in das wunderbare Kunststück, das die Kuh zustande bringt: Sie kann aus Grünland Energie gewinnen und gleichzeitig wertvollen Dung für Gemüse und Getreide liefern! Eine ausgeglichene Balance von Nutztieren zur bewirtschafteten Fläche, das sieht man auf Demeter- Höfen, hilft nicht nur, Humus aufzubauen, sondern bringt auch eine größere Artenvielfalt.
Wenn ich mir bewusst bin, woher das Tier kommt, das ich esse, und wenn ich meinen Konsum umstelle auf das ganze Tier und mir nicht nur die Filets herauspicke, dann kann ich auch Fleisch essen. Dass wir alle viel zu viel Fleisch essen, das muss ich heute nicht mehr erwähnen. Weniger Fleisch zu essen ist nicht nur für die Umwelt und das Klima gut, sondern auch für meine Gesundheit.
Menschen, die mich immer wieder auf den Boden zurückholen! Aber vor allem meine Eltern, die mir viel mit auf den Weg gegeben haben, nicht zuletzt die Begeisterung und Wertschätzung für wirklich gute Lebensmittel. Ich würde wahrscheinlich niemals so leben, arbeiten und denken, wenn ich nicht von diesem wunderbaren Bauernhof in der Lüneburger Heide käme. Ohne es ständig so zu nennen, ist Nachhaltigkeit und das Denken in Kreisläufen dort Alltag. Wer weiß, wie viel Arbeit es ist, Essen zu produzieren, verschwendet es nicht. Dafür bin ich unendlich dankbar.
Viele Fragen sind zu komplex, als dass ihnen ein einfaches Ja oder Nein gerecht würde. Ich mag es, Dinge von mehreren Seiten zu beleuchten.
Marianus von Hörsten, Koch, Restaurantbesitzer und Moderator
aufgewachsen auf dem Demeter-Hof Wärme, kochte in der Berliner Sterneküche und wurde als „Bester Jungkoch der Welt“ ausgezeichnet, bevor er gemeinsam mit einem Freund in Hamburg das Restaurant „Klinker“ sowie die „Klinker Bar“ eröffnete. Gemeinsam mit dem NDR hat er die Doku-Reihe „Green Garage“ entwickelt. Dort zeigt er ökologische Zusammenhänge auf und macht Angebote, wie wir im Alltag Entscheidungen für mehr Nachhaltigkeit treffen können.
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