An Ort und Ställe

Mit Mut, Herz und Idealen

Katharina und Andreas Wimmer gestalten ihren Milchviehbetrieb im Chiemgau nach ihren Ansprüchen und Werten. Dazu gehört nicht nur eine große Verbundenheit mit den anvertrauten Tieren, sondern auch das Bewusstsein: Milch und Fleisch gehören zusammen.

Katharina und Andreas Wimmer auf der Kuhweide
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Hinter dem Hof erheben sich die Berge erst sanft, dann steiler in den Himmel; die Wiesen rund um den Hof leuchten bis zum Waldrand in saftigem Grün, das historische Bauernhaus tut sein Übriges: Katharina (29) und Andreas (40) Wimmer geben zu: „Ja, bei uns sieht es aus wie im Bilderbuch!“ Die beiden haben den Landwirtschaftsbetrieb von Katharinas Eltern übernommen und den Hof „Beim Aubauern“ auf Demeter-Landwirtschaft umgestellt. Bergen heißt das Dorf zwischen Chiemsee und Salzburg, an dessen Rand er sich befindet. Heute haben sie 24 Milchkühe plus Nachzucht, dazu neben den beiden Hunden und dem Hofkater ein Pferd, ein Pony, ein paar Zwergziegen und zwei alte Mini-Hängebauchschweinchen.

Die beiden stammen aus der Zeit, als die Eltern neben der Landwirtschaft noch Urlaub auf dem Bauernhof anboten. Auch heute sind die Eltern noch voll mit dabei, der Vater kümmert sich ums Füttern, die Mutter ums Melken – „eigentlich sind wir immer zu dritt im Stall“, berichtet Katharina.

 

Katharina und Andreas Wimmer auf der Kuhweide
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Eine Zukunft auf dem Hof

Die Steuerfachwirtin und Landwirtschaftsgesellin und der Schreiner- sowie Landwirtschaftsmeister sind seit 7 Jahren ein Paar – und seit dreien auch verheiratet. Für beide stand immer fest, dass sie hier in dieser wunderschönen Gegend am Alpenrand leben wollten. Katharina wusste schon als Jugendliche, dass sie den Hof einmal übernehmen möchte – „meine Eltern drängten mich nicht dazu“. Sie erzählt, wie diese bei Andreas‘ ersten, frischverliebten Besuchen noch etwas skeptisch waren: Wird sich einer, der nicht aus der Landwirtschaft kommt, dennoch aus vollem Herzen dafür begeistern? „Einen Lebensentwurf wie den unseren kann nicht nur einer von beiden leben. Denn ein Bauernhof bedeutet auch: viel Arbeit, einen engen Bezug zu Tieren, kein Feierabend, kaum Urlaub. Um Landwirtschaft zu betreiben, braucht es die volle Hingabe von beiden!“

 

Katharina und Andreas Wimmer vor dem Kuhstall
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Und die beweist Andreas jeden Tag – „seine Leidenschaft für unser Leben und unsere Tiere ist genauso groß wie meine“, freut sich Katharina. Seine Schreinerwerkstatt hat er auf dem Hof errichtet, und so sind die Wege kurz, wenn Arbeit mit den Tieren ansteht. Inzwischen hat Andreas sogar eine zusätzliche Meisterprüfung in der Landwirtschaft abgeschlossen. Er ist im Nachbarort Erlstätt aufgewachsen und heute Ruhepol des Hofs, der gerade auch davon profitiert, dass er sich den ‚Blick von außen‘, also den des Verbrauchers, bewahrt hat. „Ich habe erst durch Katharina einen Zugang zur Landwirtschaft gefunden. Das war für mich eine Art Erwachen, als ich hier Einblick erhielt, wie viel Arbeit hinter guten Lebensmitteln steckt. Nun bringe ich ihnen größte Wertschätzung entgegen, wohingegen ich vorher, das muss ich zugeben, unkritisch konsumiert habe“, erzählt er. „Heute empfinde ich eine viel tiefere Verbindung zu dem, was ich esse. Und ich weiß: Gute Lebensmittel müssen am Ende auch ihren Preis kosten, sonst ist gute Landwirtschaft nicht möglich. Dies braucht jedoch eine transparente, authentische Kommunikation gegenüber Verbrauchern, die dann sehr wohl bereit sind, einen fairen, angemessenen Preis für eine ethische und ökologische Art der Produktion zu bezahlen.“

Katharina und Andreas Wimmer mit Kühen
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Wenn früher ein Bullenkalb geboren wurde, fühlte ich mich unwohl. Heute freue ich mich und weiß: Es wird es gut haben.

Katharina Wimmer, Demeter-Landwirtin

Die Hörner bleiben jetzt dran

„Unserem Ideal von Landwirtschaft nahezukommen, mit allem, was dazugehört, das war für uns die Vision, als wir den Hof meiner Eltern übernommen haben. Und das Herz unseres Hofes, das sind die Tiere, die uns anvertraut sind“, erklärt Katharina. Gute Bio-Lebensmittel zu produzieren, mit einem hohen Anspruch an eine Landwirtschaft, die den Tieren und der Natur gerecht wird – mit diesem Wunsch hätten sie sich im Demeter-Verband am besten aufgehoben gefühlt. „Demeter entspricht unserer Philosophie wegen der ganzheitlichen Betrachtungsweise. Und was uns am meisten überzeugt hat: Bei Demeter ist das Enthornen von Tieren wirklich verboten“, ergänzt Andreas, der vor der Umstellung auf Demeter bei den Kälbern die Hornknospen entfernt hat. „Irgendwann kam ich an den Punkt, da habe ich gesagt: Ich mache das nicht mehr! Die Kälber müssen ihre Hörner, wie von der Natur vorgesehen, behalten dürfen. Doch bei uns im Ort und in der näheren Umgebung lassen die wenigsten Landwirte die Hörner dran. Das Enthornen ist hier einfach gelebte Praxis, und wir wussten nicht, wie wir Bedingungen schaffen können, um Tiere mit Hörnern zu halten.“ Mit der Umstellung auf Demeter haben sie hierfür Unter­stützung gefunden: Im von Demeter-Berater Uli Mück begleiteten Projektarbeitskreis ‚Haltung horntragender Kühe im Laufstall‘ haben sie im Detail gelernt, den Laufstall baulich an die Haltung von horntragenden Tieren anzupassen. Dieser ist heute nicht nur um einiges größer, sondern es mussten auch neue Fressgitter installiert werden. All dies kostete Geld und Arbeit, doch das Ergebnis ist es den Wimmers wert. Damit sich der Hof allerdings wirtschaftlich tragen kann, müssen sie für ihre Milch und ihr Fleisch einen auskömmlichen Preis erzielen. Bei der Milch war dies noch relativ unkompliziert, da diese von der Molkerei Berchtesgadener Land abgeholt und dort in der Demeter-Linie verarbeitet wird – „ein Glücksfall für uns, denn wir bekommen nicht nur einen sehr guten Preis für unsere Milch, sondern auch Wertschätzung und Anerkennung für die Extra-Arbeit und -Kosten, die wir auf uns nehmen, um Demeter-Qualität zu erbringen“, erklärt Andreas.

 

Andreas Wimmer mit Kalb
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… und die Kälber hier

Inzwischen haben die beiden auch für ihre Fleischprodukte neue und für sie passende Wege zur Vermarktung gefunden – nämlich mit ihrer Direktvermarktung „BioBergen“. „Was vielen nicht bewusst ist: Fleisch und Milch gehören zusammen. Und auch wenn es hier im Chiemgau aussieht wie im Bilderbuch und es sich hier wunderbar lebt, so trifft das häufig nicht auf die Bedingungen für Kälber in Milchviehbetrieben zu, die oft leider nicht auf den Höfen bleiben dürfen“, kritisiert Katharina. Denn: Damit Kühe Milch geben, müssen sie Kälber gebären. Und davon werden nicht alle für die Nachzucht gebraucht. Beim Fleckvieh werden deshalb nur die weiblichen Kälber für die Milchproduktion, die männlichen für die Mast ein­gesetzt.  „Das System der Zucht auf Milch- und Fleischrassen dagegen hat in eine Sackgasse geführt, und ein Symptom dieses kranken Systems ist, dass männliche Kälber von Hochleistungs-Milchkühen keinen Wert haben und abgegeben werden müssen, weil sie selbst keine Milch geben können. Der stunden-, oft tagelange Transport zur Mast in andere Länder ist hier keine Seltenheit. Ich habe es irgendwann nicht mehr ertragen, nicht zu wissen, wohin unsere Kälber kamen, wenn wir sie nicht für die Nachzucht einsetzen konnten.“ Für dieses Problem eine bessere Lösung zu finden, machten Katharina und Andreas zur Bedingung, als sie sich dafür entschieden, den Betrieb im Nebenerwerb fortzuführen.

 

Andreas Wimmer mit Kälbern
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Milch und Fleisch sind eng miteinander verbunden – und müssen zusammen gedacht werden.

Andi Wimmer, Demeter-Landwirt

Andreas ergänzt: „Für uns stand also fest: Alle Kälber ­bleiben! Die Frage war nur: Wie schaffen wir es, die hohen Mehrkosten für die Kälberaufzucht hereinzuholen?“ Denn Kälber aufziehen heißt auch: Die Kälber trinken die wertvolle Demeter-Milch, die die Haupteinnahmequelle für den Hof ist, und werden unter Narkose kastriert. Mit guter Kommunikation bei der Direktvermarktung – etwa  über die sozialen Medien, aber auch in vielen persön­lichen Gesprächen – haben die beiden es geschafft, einen Fleischpreis zu etablieren, der die Mehrkosten durch die Kälberaufzucht mit abdeckt. Die männlichen Kälber werden heute im nahen Demeter-Partnerbetrieb Leitnerhof in Chieming aufgezogen. Damit sind sie eine Besonderheit. Andreas bedauert: „Im Ort heißt es noch: Die Aufzucht von männlichen Kälbern ist wirtschaftlich nicht möglich. Dabei beweisen wir, dass es möglich ist. Wir sagen nicht: Wir machen alles toll und besser – sondern: Wir machen es so, wie wir es richtig finden.“ Dass sich das auch gut anfühlt, bestätigt Katharina: „Wenn früher ein männliches Kalb geboren wurde, war mir unwohl. Weil ich, wenn ich es an den Viehhändler weggab, nicht wusste, was es noch für ein Leben haben würde. Heute ist das anders. Ich begrüße ein neu geborenes Bullenkalb und verspreche ihm: Du wirst es hier gut haben und bis zum Ende bleiben.“

 

Andreas Wimmer mit Kuh auf der Weide
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Milch und Fleisch zusammen denken!

Damit Kühe Milch geben, müssen sie Kälber zur Welt bringen. Für jeden Liter Milch fallen etwa 25 Gramm Fleisch an, hat die Schweisfurth Stiftung ausgerechnet. Um den Aufbau besserer Vermarktungswege kümmern sich auch Initiativen des Demeter-Verbands, etwa die mit dem Bundespreis für Ökolandbau ausgezeichnete Bruderkalb-Initiative von Hohenloher Milchbauern (Demeter- und Biolandbauern) oder die HofRind-Initiative von Demeter im Norden. Die von Demeter und Bioland gegründete Ökotierzucht gGmH erweitert ihren Fokus vom Zweinutzungshuhn auch auf die Rinderzucht.

… bis zum Schluss

Die Bullenkälber kommen nach rund drei Jahren wieder zurück nach Bergen, wo die Ochsen direkt auf dem Hof geschlachtet werden. „Der Metzger kommt mit seinem mobilen Schlachtanhänger direkt zu uns. Dort wird das Tier in seiner gewohnten Umgebung, ohne Stress beim Verladen und ohne Angst, betäubt, getötet und geschlachtet“, sagt Andreas, der das Tier bis zu seinem Ende begleitet. Katharina erinnert sich an den letzten Ochsen, der noch zum kleinen Schlachthof gebracht werden musste, bevor die Hofschlachtung bei ihnen möglich war: „Wir konnten die Nacht zuvor nicht schlafen, denn es trieb uns um, ein Tier, das uns ans Herz gewachsen war, allein auf diesen letzten Weg zu schicken. Das widerstrebt unserem Verantwortungsgefühl.“ Heute gibt es feste Schlachttermine; die Bestellungen ihrer regionalen Kunden gehen über E-Mail ein. Zudem hat Andreas gerade ein kleines „Hofladerl“ zur Selbstbedienung gezimmert, das von der Straße einsehbar ist und inzwischen gut besucht wird. Noch immer freuen sie sich über jedes Feedback ihrer Kund:innen.

Katharina und Andreas Wimmer beim Essen
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Vieles haben sie in den letzten Jahren zum Besseren verändert, sind sich die Wimmers einig. Und geben doch zu, dass es auch heute Augenblicke gibt, in denen sie sich fragen, warum sie all die Mühe auf sich nehmen. „Bauern zu sein, ist kein 9-to-5-Job, und es gibt wirklich sehr anstrengende Zeiten, in denen die Herausforderung an uns sehr hoch ist und wir an körperliche Grenzen kommen“, sagt Andreas. Auch wenn beide in Teilzeit in anderen Berufen arbeiten – er als Schreinermeister und sie als Steuerfachwirtin –, der Hof muss wirtschaftlich sein und sich selbst tragen. „Und da schauen wir natürlich immer noch, wie wir das hinbekommen. Wir müssen den Spagat schaffen zwischen einem akzeptablen Endverbraucherpreis, der jedoch auch die Extra-Kosten fürs Tierwohl und die Hofschlachtung abdeckt“, so Andreas. „Wir haben unseren hohen Anspruch ans Tierwohl – doch der muss am Ende eben auch honoriert werden. Die ein oder andere schlaflose Nacht haben wir schon deswegen“, bestätigt Katharina. Doch beide finden, dass sie auf einem guten Weg sind. Ihr Ziel: ein individuelles System, das auf ihren Werten basiert, das wirtschaftlich und damit wirklich nachhaltig ist. Zu ihrer Idealvorstellung gehört auch, dass die Kälber bei der Mutter bleiben können. Für Katharina eine Frage des Respekts, doch: „Diese Entwicklung müssen wir finanziell stemmen können, denn dafür müssen wir den Stall erweitern – eine große Investition!“ Dass sie auch dies schaffen werden, steht für beide außer Frage. Denn: „Auch wenn wir über Einzelheiten mal diskutieren, teilen wir dieselben Ideale. Und schätzen, ja genießen das gemeinsame Arbeiten im Stall oder auf der Weide“, sagt Andreas. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen als mein Leben hier auf dem Hof mit Katharina und unseren gemeinsamen Visionen hierfür.“

Biobergen von oben
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BioBergen

Katharina und Andi Wimmer produzieren in BioBergen Milch und Fleisch nach hohen Ansprüchen. Die Demeter-Milch ihrer 24 Milchkühe verarbeitet die Molkerei Berchtesgadener Land. Fleisch gibt es zu festen Schlachtterminen; es kann über die Webseite bestellt werden. In den sozialen Medien geben sie Einblicke in die Demeter- und Öko-Landwirtschaft, wie sie sie praktizieren: Instagram | Facebook